ONKOLOGISCHE THERAPIE

Bei der ständigen Erneuerung unserer Körperzellen, kann es zu Fehlern im Bauplan einer Zelle kommen. Dieser Fehler kann bewirken, dass die Zelle sich nicht mehr an die Regeln ihres eigenen Gewebeverbundes hält, sondern sich ungehindert teilt und die Nachbarzellen zerstören kann. So entsteht ein bösartiger Tumor, der als Krebs oder bösartige Neubildung = Neoplasma bezeichnet wird. Krebs ist also dadurch gekennzeichnet, dass er ungehindert wächst und bei zunehmender Größe seine Umgebung zerstört. Dabei bekommt der wachsende Tumor Anschluss an die Blutgefäße und/oder die Lymphgefäße, wie die Bahnen der Gewebeflüssigkeiten bezeichnet werden. Über den Blutweg (hämatogen) oder über die Lymphbahnen (lymphogen) können einzelne Krebszellen des neu entstandenen Tumor Absiedlungen in anderen Organen machen. Die so entstandenen Absiedlungen werden als Tochtergeschwülste = Metastasen bezeichnet. Aber nicht nur wegen dieser Eigenschaft eines bösartigen Tumor, im gesamten Körper Metastasen machen zu können, erfordert die Behandlung

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einen ganzheitlichen Ansatz. Krebs ist immer, auch im noch lokal begrenzten Stadium, eine Erkrankung, die den Körper und die Seele beeinträchtigt.

Die Onkologie ist die Lehre von den gut- und bösartigen Neubildungen. Ein Onkologe ist (meistens) ein Facharzt für Innere Medizin (Internist) mit einer intensiven Zusatzausbildung, in der die ganzheitlichen Aspekte der Krebsbehandlung und die Durchführung der systemischen Therapie vermittelt wurden.
So besteht der Schwerpunkt der onkologischen Tätigkeit in der Koordination der verschiedenen Fachdisziplinen, die zur Behandlung eines Tumors beitragen (interdisziplinäre Therapie). In der Praxis für Onkologie selber werden die systemischen Therapien wie Immuntherapie, Chemotherapie, biologische Krebstherapie, aber auch alle begleitenden Therapieformen wie Schmerztherapie, Ernährungstherapie und Bluttransfusionen durchgeführt.

ADJUVANTE THERAPIESTRATEGIE

Als adjuvante Therapie wird jede tumorspezifische Behandlung bezeichnet, die nach der vollständigen Operation durchgeführt wird. Wenn der Chirurg den Tumor vollständig entfernt hat und auch der Pathologe bescheinigt hat, das an den Schnitträndern des Darmes keine bösartige Zelle mehr zu sehen ist, lässt sich mit keiner Diagnostik, also weder Laboruntersuchungen, noch Ultraschall, Röntgen, Computertomographie oder Kernspintomographie noch eine bösartige Zelle nachweisen. Trotzdem hat die Erfahrung gezeigt, dass bei einigen Patienten ein Rückfall der Erkrankung (Rezidiv) auftreten kann. Mitunter viele Jahre später wird eine Absiedlung (Metastase) in der Leber, Lunge oder auch einem anderen Organ festgestellt, die sich aus Tumorzellen entwickelt hat, die bereits vor der Operation über den Blut- oder Lymphweg aus dem Primärtumor ausgewandert sind. Um ein Rezidiv der Erkrankung zu verhindern, wird möglichst innerhalb von 2-6 Wochen nach der Darmoperation die adjuvante Therapie begonnen. Die adjuvante Therapie besteht heute im Wesentlichen aus einer Chemotherapie, die für etwa 6 Monate gegeben wird. Bei Karzinomen des Enddarm (Rektumkarzinom) wird die Chemotherapie durch eine zusätzliche Bestrahlung ergänzt (kombinierte Radio-Chemotherapie).

NEOADJUVANTE THERAPIESTRATEGIE

Die neoadjuvante Therapiestrategie hat im wesentlichen die gleichen Ziele wie die adjuvante Therapie, sie soll bei mehr Patienten eine Heilung erreichen, als dies mit der alleinigen Operation möglich ist. Im Unterschied zur adjuvanten Therapie wird die neoadjuvante Therapie aber vor der Operation durchgeführt und kommt meist bei Patienten mit Enddarmkarzinom zum Einsatz. Nach der Diagnostik durch den Gastroenterologen führt der Patient ein ausführliches Gespräch mit dem Chirurgen, der die operativen Möglichkeiten prüft. Dann wird der Patient zu einem Onkologen überwiesen, der eine kombinierte Radio-Chemotherapie als neoadjuvante Therapie durchführt.  Durch diese Behandlung wird der Primärtumor meist sehr viel kleiner, so dass die Operation deutlich erleichtert wird. Häufig kann durch die neoadjuvante Therapie ein Tumor in der Nähe des Darmausgang so weit verkleinert werden, dass der Chirurg keinen endgültigen künstlichen Darmausgang (Anus präter) anlegen muss. Es gelingt dann „Kontinenz-erhaltend“ zu operieren und die Funktion des Schließmuskels zu erhalten. Nach der Operation wird bei diesem Konzept meist noch für 4 Monate eine adjuvante Therapie angeschlossen.

PALLIATIVE THERAPIESTRATEGIE

Wenn ein Dick- oder Enddarmtumor Metastasen in anderen Organen gesetzt hat, ist eine Heilung, das heißt die vollständige und endgültige Entfernung aller Tumorzellen meistens nicht mehr möglich. Auch hier gibt es Ausnahmen wie z.B. Patienten mit einzelnen Lebermetastasen, bei denen eine geschickte Abfolge von Operationen und Chemotherapie zur Heilung führen kann. In den meisten Fällen aber wird man eine palliative Therapiestrategie vorschlagen. Bei den Zielen dieser Behandlung steht die Lebensqualität des Patienten an erster und die Lebensdauer an zweiter Stelle. Durch die Operation, die Chemotherapie und Begleitbehandlung sollen Symptome gelindert, Komplikationen durch den Tumor verhindert und die Lebensqualität so lange als möglich, so gut wie möglich erhalten werden. Durch einige neue, gut verträgliche und wirksame Medikamente können wir bei vielen Patienten über viele Jahre einen chronischen Verlauf der Erkrankung erleben. Wenn die Erkrankung weit fortgeschritten ist, wird die palliative Behandlung immer weniger Chemotherapeutika  und immer mehr die Symptomlinderung in den Mittelpunkt stellen. Durch eine enge Zusammenarbeit der Onkologen, Gastroenterologen und Chirurgen, vor allem aber durch die enge Kooperation mit den Hausärzten und palliativen Pflegediensten gelingt es meistens, ein würdevolles Sterben zu Hause im Kreis der Familie zu ermöglichen.

CHEMOTHERAPIE

Chemotherapeutika werden sowohl in adjuvanten und neoadjuvanten, als auch in palliativen Therapiestrategien eingesetzt. Es handelt sich um Medikamente, die bösartige Zellen zerstören oder deren Wachstum beschränken können (Zellgifte).  In der Onkologie stehen heute mehr als 50 verschiedene Substanzen zu Verfügung, die sich von ihrem Wirkmechanismus und ihren Nebenwirkungen erheblich unterscheiden. Für die Behandlung des Darmkrebs werden nur solche Medikamente alleine oder in Kombinationen eingesetzt, bei denen sich in wissenschaftlichen Studien eine besonders starke Wirksamkeit auf die bösartigen Zellen der Darmschleimhaut gezeigt hat. Die Chemotherapie entfaltet ihre Wirksamkeit über den Blutweg, weshalb sie fast überall im Körper wirksam werden kann. Es ist dabei unerheblich ob die Chemotherapie als Infusion in eine Vene oder als Tablette über den Darm (orale Therapie) in den Körper gelangt.
Der Onkologe wird für jeden Patienten eine individuell angepasste Behandlung aussuchen. Dabei wird er die nationalen und internationalen Behandlungsleitlinien, genauso wie die individuellen Bedürfnisse und Besonderheiten des einzelnen Patienten berücksichtigen. Die Nebenwirkungen der Therapie lassen sich in den meisten Fällen gut bis sehr gut beherrschen. Übelkeit und Erbrechen, die früher besonders ausgeprägt waren, sind bei vielen der modernen Medikamente eher gering und die Antiemetika (Medikamente gegen Brechreiz) in den letzten Jahren deutlich effektiver geworden. Für die Patienten stehen oft Nebenwirkungen an den Schleimhäuten wie z.B. Diarrhöen (Durchfälle) oder Schleimhautreizungen (Mukositis) im Vordergrund. Die bei Darmkrebs wirksamen Chemotherapiekombinationen beeinflussen die Blutbildung und das Immensystem meist nur wenig, Haarausfall kommt eher selten bis sehr selten vor.

KOMBINIERTE RADIO-CHEMOTHERAPIE

Besonders beim Enddarmtumor wird häufig die Chemotherapie mit einer Bestrahlung kombiniert. Im Strahlenfeld ist eine Bestrahlung bereits alleine sehr wirksam und kann durch die moderne Strahlentherapie sehr zielgenau unter weitgehender Schonung der gesunden Umgebung nebenwirkungsarm angewendet werden. Die Wirkung der Strahlung kann aber durch die gleichzeitige Gabe einer Chemotherapie deutlich gesteigert werden. Zusätzlich hat diese Chemotherapie natürlich auch einen systemischen Effekt, d.h. sie wirkt auch außerhalb des eigentlichen Strahlenfeldes.

BIOLOGISCHE THERAPIEANSÄTZE, IMMUNTHERAPIE UND INNOVATIONEN

Die mikrobiologische und zytogenetische Forschung hat in den letzten Jahren unser Verständnis der Tumorentstehung und Metastasierung deutlich verbessert. Dadurch ist es gelungen Medikamente zu entwickeln, die sehr zielgenau an Schaltstellen des Tumor angreifen und dadurch Tumorwachstum verhindern können. Diese zielgerichteten Therapien werden auch als „targeted therapies“ bezeichnet und haben bereits Einzug in die Behandlung des Dickdarmkrebs gefunden. Im Jahr 2005 stehen wir erst am Anfang dieser Entwicklungen, aber bereits jetzt sind deutliche Verbesserungen der Behandlungsergebnisse messbar.

Die im Darmzentrum Köln tätigen Onkologen sind an der Erforschung und Erprobung auch neuer Medikamente oder Therapiestrategien beteiligt. Diese Weiterentwicklung und Forschung wird in sogenannten klinischen Studien durchgeführt und unterliegt sehr strengen Regeln und regelmäßiger Überwachung. Der Onkologe wird seinen Patienten ausführlich über die Chancen und möglichen Nebenwirkungen einer solchen Studie informieren und eine Teilnahme erst dann erlauben, wenn ein schriftliches Einverständnis des Patienten vorliegt. Durch die Teilnahme an Studie ist sichergestellt, dass die Patienten des Darmzentrum jederzeit die modernsten und effektivsten Behandlungen erhalten können.

 
Die hohe Effektivität unseres derzeitigen Gesundheitssystems erlaubt die Anwendung all der Substanzen, Medikamente und Methoden, bei denen sich in klinischen Studien ein messbarer Nutzen für den Patienten gezeigt hat und die deshalb für die Darmkrebstherapie zugelassen worden sind. Eine Finanzierung vermeintlich besserer, neuer oder alternativer Medikamente aus eigener Tasche ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unabhängig von der Art der Krankenversicherung für keinen Patienten notwendig.